Mit Urteil vom 22.11.2022 entschied das Landgericht Gießen (1 S 81/22), dass sofern ein Vermieter von Wohnraum eine ordentliche Kündigung darauf stützt, dass sich der Mieter im Zahlungsverzug befindet, dies ein Verschulden des Mieters voraussetzt. Insbesondere wenn der Mieter die Mietrückstände innerhalb der gesetzlichen Schonfrist von 2 Monaten nach Erhebung der Räumungsklage begleicht, mildert dies sein Verschulden.
Hintergrund dieser Entscheidung war ein Rechtsstreit zwischen Vermieter und Mieter um die Wirksamkeit einer Kündigung. Die Mieterin hatte die Miete für drei aufeinanderfolgende Monate nicht zahlen können, da ihr Ehemann arbeitslos geworden war und das Arbeitslosengeld nicht sofort erhalten hatte. Der Vermieter hatte nach Ablauf einer Aufforderungsfrist das Mietverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich kündigte. Die Mieterin beglich nach der Kündigung innerhalb weniger Tage den Zahlungsrückstand, nachdem das Geld vom Jobcenter eingegangen war.
Das Amtsgericht erklärte die Räumungsklage für zulässig und begründet. Die Mieterin legte Berufung vor dem Landgericht Gießen ein. Das Gericht stellte klar, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist, da der Mietrückstand vollständig innerhalb der Schonfrist von zwei Monaten beglichen wurde. Auch hinsichtlich der ordentlichen Kündigung erläuterte das Gericht, dass diese gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine schuldhafte Verletzung der Zahlungspflicht in nicht unerheblicher Weise voraussetzt. Da hier die Miete zuvor stets zuverlässig beglichen wurde und jetzt nur auf den Zustand der unerwarteten Arbeitslosigkeit des Ehemanns zurückzuführen war, lag unter Berücksichtigung aller Umstände keine erhebliche Pflichtverletzung der Mieterin vor.